METHODEN

 Tatsächlicher Verkauf

ZURÜCK

Wenn der spätere Verkaufspreis des Bewertungsobjektes wie unter Fremden Dritten ausgehandelt war, stellt dieser Betrag einen Marktpreis dar, der lediglich noch die Wertveränderungen in der Zwischenzeit (Bewertungsstichtag - Tag des Verkaufs), soweit welche erfolgt sind, über eine Adjustierung berücksichtigen muss. In diesem Falle sind "Bewertungsobjekt" und "Vergleichsobjekt" bis auf die unterschiedliche Zeitdimension identisch, also von einer nahezu perfekte Ähnlichkeit dieser Objekte auszugehen.

Durch das Rückschließen vom Preis eines tatsächlich erfolgten späteren Verkaufs des Bewertungsobjektes auf dessen Wert zum Bewertungsstichtag nach Maßgabe der Ähnlichkeit (Substitutions-Modell) ist es für die rechtsgeleitete Unternehmensbewertung überflüssig, hierfür die "Wurzeltheorie" zu bemühen.

Gerade bei Freiberufler-Einzelpraxen erfolgt die Veräußerung der Praxis im Falle des Ablebens des Berufsangehörigen kurze Zeit (meist einige Wochen) nach dem Bewertungsstichtag (Todestag). Für Zwecke der Bewertung kann die Wertableitung für die zu bewertende Einzelpraxis aus dem tatsächlich erzielten Veräußerungspreis nur dann nicht bzw. nur unter der einschränkenden Bedingung der Adjustierung erfolgen, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz missachtet worden war, also z.B. der Kauf zu einem "günstigen" Preis an einen Mitarbeiter, an einen nahen Verwandten, oder im Hinblick auf die besondere Dringlichkeit unter Einräumung erheblicher, nicht marktmäßiger Preisnachlässe erfolgte.

Hierzu ein weiteres Beispiel: Im Spruchstellenverfahren "Hoffmann's Stärkefabriken AG" (vgl. Beschluss des LG Dortmund v. 14.2.1996, HdUBew, Teil 4, S. 6.) wurde der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögen, das nach dem Bewertungsstichtag, aber vor Ergehen des Beschlusses des Landgerichtes verkauft wurde, durch Diskontierung der tatsächlichen Veräußerungserlöse auf den den Bewertungsstichtag mittels eines Abzinsungsfaktors von 8 % auf insgesamt 5.422.000 DM ermittelt. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Das Landgericht bezog sich hierbei explizit auf die "Wurzeltheorie", was aber überflüssig erscheint: es handelte sich bei der Wertableitung aus späteren Verkäufen um die Anwendung eines allgemein zulässigen Bewertungsverfahrens, basierend auf der hohen Ähnlichkeit von Bewertungs- und Vergleichsobjekt (der Unterschied lag nur in den unterschiedlichen Zeitpunkten, was zutreffend durch Adjustierung mittels Diskontierung berücksichtigt werden musste).

Selbst ein Verkauf eines Bewertungsobjektes 5 Jahre nach dem Bewertungsstichtag rechtfertigt nach der Rechtsprechung immer noch die Wertableitung aus dem tatsächlichen Verkauf, lediglich der Adjustierungsbedarf steigt überproportional mit zeitlicher Entfernung zum Bewertungsstichtag.

Die Ableitung eines Wertes aus dem Verkaufspreis, der nach dem Bewertungsstichtag tatsächlich für das Bewertungsobjekt erzielt wurde, wurde vom Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen angesprochen:

Nach dem BGH-Urteil v. 17.03.1982 (BM 1982, 692) darf sich der Tatrichter bei der Bewertung eines Unternehmens, das ein Jahr nach dem Bewertungsstichtag verkauft worden ist, an dem Verkaufswert orientieren, wenn wesentliche Veränderungen des Marktes in der Zwischenzeit nicht eingetreten sind.

Nach dem BGH-Urteil v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90 ist die Höhe des Veräußerungserlöses zugrunde zu legen, wenn das Gut nach dem Bewertungsstichtag veräußert wurde. Nur außergewöhnliche Preisverhältnisse unter Ausnahmebedingungen rechtfertigen nach diesem Urteil das Abstellen auf einen (niedrigeren) „wahren oder inneren Wert“.

Nach dem BGH-Urteil v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91 ist – verallgemeinert formuliert - der (Verkehrs-) Wert grundsätzlich aus dem tatsächlich später erzielten Preis unter Berücksichtigung der allgemeinen Preisentwicklung „rückschließend“ zu bestimmen, wenn seit dem Bewertungsstichtag keine wesentliche Veränderungen in der Zusammensetzung des Bewertungsobjektes und der Marktverhältnisse erfolgt sind (im Entscheidungsfall lagen 5 Jahre zwischen Bewertungsstichtag und Verkaufstag). Begründung:

  1. Es ist nicht gerechtfertigt, im Bewertungsrecht die (relativ) gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse zu verlassen.
  2. Selbst ein (späterer) Versteigerungserlös ist ein nicht zu vernachlässigender Anhaltspunkt, dass sich ein „ähnlicher“ Preis auch bei freihändiger Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ergeben hätte.